Leuchtturm ARD Augsburg

Arbeitsgemeinschaft Redlicher Diskurs. Für ausgewogene und bürgernahe Medien.

Einschränkung der Pressefreiheit in der Istanbul-Konvention: Unser Brief vom 6.2.2023

Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion, liebe Journalisten und Mitarbeiter der Augsburger Allgemeine,

seit 31 Wochen organisiert die Bürgerinitiative Leuchtturm „Aktion Redlicher Diskurs“ Mahnwachen vor Presse- und Rundfunkgebäuden und somit auch bei Ihnen, der Augsburger Allgemeine. Im Namen der Bürgerinitiative möchten wir Sie deshalb herzlich begrüßen und Sie zu einem gemeinsamen Gespräch über die Zukunft des Journalismus und damit die Zukunft der Demokratie einladen.

In unserem letzten Brief ging es darum, wie Medien die Politik und damit die Demokratie manipulieren, am Beispiel der augenscheinlichen Panzerlieferdebatte. Heute geht es um den umgekehrten Fall: Die Politik manipuliert die Medien, zu sehen ist das am Beispiel der Istanbul-Konvention.

Die Istanbul-Konvention, auch bekannt unter dem euphemistischen Namen „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ wurde von Deutschland 2017 ratifiziert. In Ihrer Berichterstattung beklagen Sie etwa die ungenügende Einhaltung der Konvention (2022) [1], beschreiben Änderungsankündigungen der Politik (2023) [2] und kritisieren die Türkei für ihren Austritt (2021) [3]. Auf jeden Fall stehen Sie kritiklos hinter dem Abkommen. In einem Artikel vom 3.3.2021 beschreiben Sie die Konvention als „einen Vertrag, der Frauen und Mädchen vor Gewalt schützen soll“ und stellen die Frage „Was steht darin?“ [4].

Sie nennen drei Methoden aus der Konvention: Unterrichtsmaterialien zu bestimmten Themen, Gewaltpräventionsmaßnahmen, sowie gesetzgeberische Anforderungen. Verschwiegen wird jedoch Absatz 2 in Artikel 14 Unterrichtsmaterialien. Dieser lautet: „Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die in Absatz 1 genannten Grundsätze in […] den Medien zu fördern“ [5]. Anders ausgedrückt steht hier, dass die Regierung Druck auf die Presse ausüben soll, um ihre Berichterstattung in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Ob dieser Druck nun in positiver oder negativer Form erfolgt: Er verletzt damit die Pressefreiheit. Denn die Politik schreibt nun vor, was die Presse zu schreiben hat, was Sie in Ihrer Augsburger Allgemeine zu schreiben haben. Unabhängig davon wie gut oder schlecht es gemeint ist, das Ergebnis ist, dass Sie nicht mehr drucken können, was Sie drucken möchten. Denn nun winken staatliche Folgen für unerwünschte Presse, sei es in Form eines Entzugs von Fördergeldern oder durch Sanktionierung: Die Politik manipuliert die Medien.

Wir möchten gerne von Ihnen wissen: War Ihnen bekannt, dass die Istanbul-Konvention das Ende der Pressefreiheit bedeutet? Haben Sie diesen Teil bewusst in Ihrer Berichterstattung ausgeklammert, weil Sie von eventuellen Fördergeldern profitieren? Hat die Zeit nicht gereicht, auch den zweiten Absatz zu lesen? Haben Sie sich von DPA-Meldungen und den offiziellen Stellungsnahmen der Politik blenden lassen und deswegen nicht ausreichend recherchiert? Oder fanden Sie den Rest der Konvention so unglaublich wichtig, dass Sie die Pressefreiheit als notwendiges Opfer für das höhere Ziel betrachten?

Wir möchten Sie gerne auffordern: Werfen Sie einen erneuten, kritischeren Blick in den Gesetzestext der Istanbul-Konvention. Es lohnt sich. Neben der Einschränkung der Pressefreiheit stehen hier auch viele Dinge, mit denen die Politik autoritär bis in die privatesten Angelegenheiten der Bürger hineinregiert. Ob das in den einzelnen Fällen gut oder schlecht ist, sei Ihrem persönlichen Urteilsvermögen überlassen. Denken Sie jedoch daran, dass ein autoritäres Vorgehen gerne auch auf andere Bereiche des Lebens übergreifen kann.

Wir lesen wieder voneinander, jeden Montag um 17:00 und jeden Samstag um 15:30 hier vor Ort zu unseren nächsten Mahnwachen.

Mit freundlichen Grüßen,
im Namen aller Mitstreiter für unsere gemeinsame Zukunft,

Bis demnächst.

Literatur:

[1] DPA. Frauen in Deutschland nicht genug vor Gewalt geschützt. Augsburger Allgemeine, 07.10.2022, abgerufen am 06.02.2023:
https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/menschenrechte-frauen-in-deutschland-nicht-genug-vor-gewalt-geschuetzt-id64175446.html

[2] DPA. Schutz von Frauen vor Gewalt: SPD-Chefin Esken verspricht Verbesserungen. Augsburger Allgemeine, 05.02.2023, abgerufen am 06.02.2023:
https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/istanbul-konvention-schutz-von-frauen-vor-gewalt-spd-chefin-esken-verspricht-verbesserungen-id65409881.html

[3] DPA. Türkei tritt aus Abkommen gegen Gewalt an Frauen aus. Augsburger Allgemeine, 20.03.2021, abgerufen am 06.02.2023:
https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Istanbul-Konvention-Tuerkei-tritt-aus-Abkommen-gegen-Gewalt-an-Frauen-aus-id59348791.html

[4] Heller-Beschnitt, Christina. Istanbul Konvention: Welche Gesetze schützen Frauen vor Gewalt? Augsburger Allgemeine, 03.03.2021, abgerufen am 06.02.2023:
https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Haeusliche-Gewalt-Istanbul-Konvention-Welche-Gesetze-schuetzen-Frauen-vor-Gewalt-id59169801.html

[5] Council of Europe. Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Nichtamtliche Übersetzung Deutschlands, Istanbul 2011, abgerufen am 06.02.2023:
https://rm.coe.int/16806b076a