Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion, liebe Journalisten und Mitarbeiter der Augsburger Allgemeine,
viele herzliche Grüße von unserer 38. Woche des Mediendialogs der Bürgerinitiative Leuchtturm „Arbeitsgemeinschaft Redlicher Diskurs“. In unserem letzten Brief ging es um Ziffer 2 des Pressekodex, die journalistische Sorgfalt in Recherche und Veröffentlichung, also die nötige Arbeit für wahrheitsgetreuen Journalismus. Im heutigen Brief möchten wir ein Beispiel bringen, warum diese sorgfältige Arbeit so unglaublich wichtig ist: Die Entstehung von Kriegen und die Vision einer friedlichen Welt nach Julian Assange:
One of the hopeful things, that I’ve discovered, is, that nearly every war that has started in the past 50 years has been a result of media lies. The media could have stopped it if they’d search deep enough, if they hadn’t reprinted government propaganda, they could have stopped it. But what does this mean? Well, that means basically populations don’t like wars. And populations have to be fooled into wars. Populations don’t willingly and with open eyes go into a war. So if we have a good media environment, then you will also have a peaceful environment.
Julian Assange, 2011
Zu Deutsch:
Eine der hoffnungsvollsten Sachen, die ich entdeckt habe, ist, dass fast jeder Krieg, der in den letzten 50 Jahren begonnen hat, das Ergebnis medialer Lügen war. Die Medien hätten ihn stoppen können, wenn sie tief genug recherchiert hätten, sie hatten die Möglichkeit, ihn zu stoppen. Aber was heißt das? Nun, das heißt, dass die Menschen Kriege grundsätzlich nicht mögen. Menschen müssen zu Kriegen getäuscht werden. Bevölkerungen gehen nicht freiwillig und mit offenen Augen in einen Krieg. Wenn wir also eine gute Medienwelt haben, dann werden wir auch eine eine friedliche Welt haben.
Übersetzung Leuchtturm ARD 2023
Mit diesen Worten beschreibt Assange zum einen den Ist-Zustand der Medienwelt und die daraus folgenden Probleme, zum anderen den heiligen Gral für ein Leben in Frieden: Eine umsetzbare Anleitung zur Verhinderung von Kriegen.
Im ersten Teil geht er auf das ungenügende Hinterfragen der Regierungslinie ein und damit auf den fehlenden Abstand zwischen Medien und Politik. Würden die Medien, und damit auch Sie, die Mitarbeiter der Augsburger Allgemeine, politische Meldungen genau überprüfen, also ihrer Pflicht zur Kontrolle nachkommen, könnten Sie viele Ursachen von Kriegen im Ansatz verhindern. Die Lügen aller Seiten würden schlicht durch Ihre sorgfältige Recherche aufgelöst, das daraus entstehende Konfliktpotential entschärft.
Wir möchten Sie deswegen gerne Fragen: Sind Sie, die Mitarbeiter der Augsburger Allgemeine, sich bewusst, über diese gewaltige Aufgabe, die Sie als Medienunternehmen zu lösen haben? Werden Sie dieser Aufgabe gerecht, recherchieren Sie gut, lassen Sie den Journalisten Raum für Kritik, für tiefgehende Recherchen und für das Widersprechen regierungsnaher Meldungen? Kontrollieren Sie regelmäßig Ihre alten Meldungen und Artikel darauf, wie viel sie zu einer bekannt gewordenen Lüge beigetragen haben und verbessern sich dann für die Zukunft? Tragen Sie mit Berichten zum Aufbau von Feindbildern bei oder versuchen Sie die Ansichten aller Beteiligten zu recherchieren und darzustellen?
Denn nur, wenn Sie wirklich gute Arbeit leisten, kann die Vision von Julian Assange in Erfüllung gehen, und Sie als Presse können von sich sagen, für eine friedliche Welt verantwortlich zu sein.
Zum Schluss möchten wir Ihnen noch ein Konzept aus der Kommunikationstheorie mitgeben, das Ihnen Mut verleihen soll, tiefgreifende Recherchen vorzunehmen und von Schuldzuweisungen Abstand zu nehmen: Die Interpunktion.
In einem Streit, und jeder Krieg ist ein Streit, gibt es zwei Seiten, die sich Schritt für Schritt in einer Eskalationsspirale bewegen. Sie berufen sich immer auf eine Tat des anderen, um den nächsten Schritt zu machen, den der andere wieder als Anfangspunkt der nächsten Eskalation sieht. Aus Sicht eines jeden Konfliktteilnehmers scheint man nur zu reagieren auf Provokationen des anderen und vergisst den Eigenanteil. Schlimmer noch, jeder wählt sogar eine Tat des anderen als passenden Startpunkt, da niemand an der Misere schuld sein möchte.
Wenn Sie als Medienunternehmen Augsburger Allgemeine sich dieser Interpunktion bewusst werden und entsprechend recherchieren und veröffentlichen, können Sie Eskalationsspiralen stoppen und auf Deeskalation hinwirken, indem sie unterdrückte oder vernachlässigte Information ans Tageslicht bringen. Auch hier zeigt sich wieder, dass Assange Rezept, Frieden durch sorgfältige und gute Medienarbeit zu erreichen, bereits in der Kommunikationstheorie sichtbar ist und nur von Ihnen umgesetzt werden muss. Wir zählen auf Sie.
Mit freundlichen Grüßen,
im Namen aller Mitstreiter für unsere gemeinsame Zukunft,
Bis demnächst